Entstehung und Entwicklung der Shona-Kunst

Die Ursprünge

In Zimbabwe hat sich eine Bildhauerszene etabliert, die zu einer der bedeutendsten weltweit avanciert ist. Quasi aus dem Nichts ist im südlichen Afrika eine Kunstrichtung entstanden, die in wenigen Jahrzehnten die Beletage der westlichen Kunst- und Kulturszene erobert hat und in einem Artikel der amerikanischen Newsweek 1987 als "wahrscheinlich eine der wichtigsten Kunstformen dieses Jahrhunderts" bezeichnet wurde. Renommierte Ausstellungsadressen wie das Museum of Modern Art in New York, das Musée Rodin in Paris, die Opera Hall in Sydney, die Expo92 in Sevilla und die Biennale in Venedig unterstreichen diese Tatsache nur zu deutlich.

Wo liegen nun die Wurzeln der Bildhauerkunst Zimbabwes? In den Siri ne Zimbabwe, den steinernen Vogelplastiken aus dem 15.Jahrhundert, die in den gewaltigen Ruinen von Great Zimbabwe gefunden wurden? Diese These ist genauso verlockend wie fragwürdig. Zwar greifen heute einige Bildhauer den "Zimbabwe Bird" immer wieder motivisch in ihrem Werk auf, daraus aber eine künstlerische Tradition abzuleiten wäre naiv.

Die Ursprünge der zeitgenössischen Bildhauerei reichen bis in die 50er Jahre zurück. In Salisbury,

der Hauptstadt der britischen Kolonie Südrhodesien, hatten damals Touristen an Specksteinschnitzereien Gefallen gefunden und dadurch einen begrenzten Markt für Steinskulpturen geschaffen. Dabei handelte es sich allerdings um immergleiche realistische Tierfiguren in diversen Größen, also eher Kunsthandwerk denn Kunst.

Von einem englischen Querdenker und einem Landwirtschaftsberater

Am Anfang der eigentlichen Bildhauerkunst Zimbabwes standen vielmehr ein querdenkender Engländer sowie ein einheimischer Landwirtschaftsberater: Frank McEwen arbeitete als Kunstreferent der Britischen Botschaft in Paris, bevor er 1957 den Posten als Direktor der Rhodesischen Nationalgalerie in Salisbury übernahm. Joram Mariga arbeitete in seiner Freizeit mit Stein, schnitzte Specksteinfiguren, experimentierte aber auch mit harten Steinsorten wie dem schwarzen Serpentin. Ermutigt durch die Künstlerin Patricia Pearce, zeigte er McEwen 1962 einige seiner Werke.

McEwen hatte schon vorher das kreative Potential der Afrikaner erkannt und unter der Kritik des weißen Establishments in der Nationalgalerie einen Malerei-Workshop für afrikanische Künstler

eingerichtet. Beeindruckt von den Arbeiten und den Werken anderer einheimischer Bildhauer, die mit der kunsthandwerklichen Skulpturenproduktion für Touristen gebrochen hatten, bildete die Bildhauerei fortan einen Schwerpunkt in seiner Werkstattschule.

Wie ein Magnet zog die Schule schon bald Bildhauertalente aus anderen Landesteilen an. Geleitet von den Theorien Gustave Moreaus ließ McEwen den Künstlern freie Hand: Nur selten bot er Hilfestellungen an; statt dessen ermutigte er den einzelnen, sein künstlerisches Potential selbst zu entdecken und zu entwickeln. Der Erfolg gab dieser Methode Recht. Die jährlich in der Nationalgalerie ausgestellten Werke verschiedener Künstler fanden wegen ihres individuell ausgeprägten Stils und ihrer ausgefallenen Thematiken bei einem internationalen Publikum schnell Anerkennung.

 Die Künstlerkolonie in den Bergen

Joram Mariga widmete sich derweil neben der eigenen Arbeit der Ausbildung des bildhauerischen Nachwuchses in seiner Heimat Nyanga, im östlichen Hochland von Zimbabwe. Hier in den Eastern Highlands wurde er zum künstlerischen Ziehvater gleich einer ganzen Generation später berühmt gewordener

Berglandschaft in den Eastern Highlands

Berglandschaft in den Eastern Highlands

Bildhauer, darunter die Takawira-Brüder John, Bernard und Lazarus, Moses Masaya, Bernard sowie Crispen Chakanyuka. Darüber hinaus stellte er 15 Grundregeln auf, die angehende Bildhauer berücksichtigen sollten. So forderte er u.a., sich nicht dem europäischen Touristengeschmack zu verschreiben und naturalistische Tierfiguren zu fertigen, nur um besser verkaufen zu können, sondern kreative Neuschöpfungen zu wagen, die thematisch die Tradition und Kultur des eigenen Volkes aufgreifen..

Balancing Rocks als Inspirationsquelle

Auf Marigas Vorschlag hin erwarb McEwen 1969 in den Eastern Highlands ein großes Areal und gründete zusammen mit dem Bildhauer Sylvester Mubayi die Künstlerkolonie Vukutu. Die bizarren, skulpturenartigen Felsformationen, die sich selbst austarierenden Balancing Rocks, wirkten auf die Mitglieder der Gemeinschaft als zentrale Inspirationsquelle. Das abgelegene Vukutu und die ein Jahr zuvor vom Tabakpflanzer Tom Blomefield gegründete Künstlergemeinde Tengenenge bildeten bis in die siebziger Jahre die wichtigsten Bildhauerzentren Zimbabwes. In dieser Zeit begann McEwen erstmals, auch Ausstellungen außerhalb des Landes zu organisieren, darunter in New York und Paris. Hier sammelten heute weltbekannte Künstler wie Nicholas Mukomberanwa und Henry Munyaradzi ihre ersten Meriten.

Allerdings wurde es für McEwen im Rhodesien der Rassentrennung unter Ian Smith immer schwieriger, materielle Unterstützung für die Nationalgalerie und die mehrheitlich afrikanischen Künstler seiner Werkstattschule zu erhalten. Während "Shona-Skulpturen" in der internationalen Kunstszene hoffähig wurden, stand ein Teil der weißen Öffentlichkeit im eigenen Land dieser Kunst verachtend gegenüber. Man interpretierte sie als politisch motiviert, Künstler wie John Takawira wurden zeitweilig verhaftet.

Balancing Rocks bei Vukutu - Inspirationsquelle für die Künstlerkolonie

Balancing Rocks bei Vukutu - Inspirationsquelle für die Künstlerkolonie

Krise und Wiederauferstehung

Durch die Kriegswirren des Unabhängigkeitskampfes geriet die Bildhauerbewegung ab Mitte der siebziger Jahre vorübergehend ins Stocken. Viele Künstler kehrten aufgrund internationaler Isolation und wirtschaftlicher Depression ihres Landes zu ihren herkömmlichen Tätigkeiten zurück. Erst im unabhängigen Zimbabwe griffen einige von ihnen wieder zu Hammer und Meißel. Finanziell unterstützt werden sie dabei von privaten Galeristen, vor allem dem Südafrikaner Roy Guthrie. Seit Anfang der achtziger Jahre organisierte Guthrie im Rahmen seiner Gallery Shona Sculpture größere internationale Ausstellungen. Der von ihm aufgebaute Chapungu Sculpture Park am Stadtrand Harares hatte lange Zeit den weltweit größten Bestand an Skulpturen zimbabwischer Bildhauer und bot gleichzeitig dem künstlerischen Nachwuchs Arbeitsmöglichkeiten. Die Hauptstadt Harare und das nahegelegene Chitungwiza sind heute die Kunstzentren Zimbabwes. Hier lebt und arbeitet ein Großteil der herausragenden Bildhauerpersönlichkeiten des Landes, darunter

“Blind Man” von Bernard Matemera im Chapungu Sculpture Park

“Blind Man” von Bernard Matemera im Chapungu Sculpture Park

“Sad News” von Joseph Muzondo, Botanischer Garten in Hamburg, 1998

“Sad News” von Joseph Muzondo, Botanischer Garten in Hamburg, 1998

Dominic Benhura, Eddie Masaya, Rickson Zavare Murehwa, Sylvester Mubayi, Agnes, Gedion und Collen Nyanhongo, Lazarus Takawira, Richard Mteki, Joe Mutasa. Die in der Nationalgalerie stattfindende Zimbabwe Heritage Exhibition, die jährlich den Bildhauern ein wichtiges Forum bietet, hat sich in der internationalen Kunstszene als eine der bedeutendsten Ausstellungen zeitgenössischer Kunst auf dem afrikanischen Kontinent etabliert.

Herausragende Ausstellungen auch in Deutschland

Den hohen künstlerischen Stellenwert der Steinbildhauerei made in Zimbabwe hat man inzwischen auch in Deutschland erkannt. In Zusammenarbeit mit Chapungu Sculpture Park veranstaltete Großausstellungen, wie 1995 im Westfalenpark Dortmund, 1998 im Botanischen Garten Hamburg, 1999 im Palmengarten Frankfurt, auf der Expo2000 in Hannover oder im Schloßgarten von Oranienstein in Diez 2003 erfreuen sich einer bemerkenswerten Resonanz in der Öffentlichkeit. Daneben haben sich auch

Galerien auf diese Kunstrichtung spezialisiert. So zeigt unsere Galerie in Hamburg das weite Spektrum der Formensprache zimbabwischer Steinplastik: die Expressivität teilweise Archaik eines Nicholas Mukomberanwa und Bernhard Takawira, den Minimalismus, mit dem es Henry Munyaradzi immer wieder verstanden hat, den Stein zu beseelen, den afrikanischen Kubismus von Brighton Sango, die Grazie und Leichtigkeit der Werke eines Joe Mutasa, die Klarheit und Ruhe der Frauenskulpturen von Agnes Nyanhongo oder die Verspieltheit der Figuren von Jonothan Mhondorohuma.

Einzigartig in der Themen- und Formenvielfalt

Bei näherer Beschäftigung mit der Steinkunst aus Zimbabwe erkennt man schnell deren einzigartigen Facettenreichtum in Bezug auf Themen- und Formenvielfalt. Künstler wie die Nyanhongo-Geschwister, Rickson Murehwa oder auch Tampfuma Gutsa und Dominic Benhura geben immer wieder neue Richtungen vor und gerade in dieser Impulsgebung liegt die Zukunft der zimbabwischen Bildhauerei.

Skulptur von Dominic Benhura im Schloßgarten von Oranienstein, 2003.

Skulptur von Dominic Benhura im Schloßgarten von Oranienstein, 2003.

 

Themen - Ahnengeister, Metamorphosen und
Social Life

"In meinen Skulpturen beschreibe ich Traditionen, in denen ich aufgewachsen bin, und erhalte sie so für meine Kinder"

Die Bildhauerin, von der dieses Zitat stammt, ist die bekannteste Künstlerin Zimbabwes. In ihren Arbeiten, deren beschreibende Metaphorik stark durch weibliche Merkmale gekennzeichnet ist, greift Agnes Nyanhongo oft Elemente der Shona-Mythologie auf, wie den "Water Spirit" oder den Chapungu-Adler. In ihrem Werk findet sich aber auch ein klarer Gegenwartsbezug. So thematisiert Nyanhongo - wenngleich längst nicht so vehement wie ihre Bildhauerkollegin Colleen Madamombe - immer wieder frauenspezifische Belange.

Agnes Nyanhongo in ihrem Atelier in Harare

Agnes Nyanhongo in ihrem Atelier in Harare

Die Steinbildhauerei aus Zimbabwe übergeordnet thematisch erfassen zu wollen ist schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Der in der Literatur gerne verwendete Begriff "Shona-Skulptur" als Bezeichnung für die Kunstrichtung verführt zu der Vorstellung, es handele sich hierbei um eine Art "Stammes"-Kunst. Dazu muss zunächst einmal festgestellt werden, dass auch Angehörige anderer in Zimbabwe beheimateter Völker bildhauerisch tätig sind und somit also "Shona" irreführend ist. Zudem gibt es in diesen sehr unterschiedlichen Kulturen für die Werke weder stilistische noch traditionell-formale Vorbilder: Sieht man von den angesprochenen Siri ne Zimbabwe, den steinernen Vogelskulpturen auf den Great Zimbabwe Ruins, ab, so liegt der

Bernard Matemera mit metamorphosiertem Fabelwesen in Tengenenge, 2001

Bernard Matemera mit metamorphosiertem Fabelwesen in Tengenenge, 2001

Kunstrichtung keine überkommene Ikonografie zugrunde. Allerdings rekurrieren viele Bildhauer in ihren Werken thematisch auf Religiös-spirituelles ihrer Kultur und arbeiten in Stein bedeutende Elemente der Traditionen ihres Volkes auf.

Die Allmacht der Ahnengeister

In der Religion der Shona kommen, neben dem Himmelsgott mwari, den Ahnengeistern eine zentrale Bedeutung zu, da sie auf unterschiedliche Weise Einfluss auf das Dasein der Lebenden nehmen können. So üben die mhondoro als Ahnengeister der Herrschenden u.a. Schutzfunktionen für das Volk aus, beeinflussen das Wetter sowie die Fruchtbarkeit des Landes. Ihnen zur Seite gestellt sind die Familiengeister, die mudzimu, die den Schutz des einzelnen Familienmitglieds übernehmen. In einer Zwischenwelt herumirrende menschliche Geister können in Menschen oder Tiere eindringen und als mashave gute, als ngozi böse Eigenschaften und Kräfte zeitlebens übertragen. Sie teilen sich durch ein "Spirit Medium" svikiro den Lebenden mit.

Das Wissen um diese Macht der Ahnen, der Glaube an die ständige Gegenwart der Verstorbenen und die Vorstellung, dass scheinbar unbelebte Natur beseelt ist, findet sich fast schon leitmotivisch in vielen Skulpturen zimbabwischer Bildhauer wieder. Oft werden große Köpfe und große Augen metaphorisch als Stilmittel verwendet - so zum Beispiel in Arbeiten der Brüder Boira und Richard Mteki - um allgemein

die alles sehende Kraft der Ahnengeister hervorzuheben. Das Ineinandergreifen von Diesseits und spiritueller Welt der Ahnen wird auf sehr unterschiedliche Art thematisiert: Joram Mariga deutet es stilistisch in Communicating with the Earth Spirit durch den Übergang von hell schraffierten und dunkel polierten Flächen an. Sylvester Mubayi beschreibt gerade in seinem Frühwerk die enge Verbindung zwischen der Welt der Lebenden und der der Toten figürlich durch ein Übergangs-wesen, den "Skeleton Man". Motivisch wird der Skelett-Mensch später auch von anderen Künstlern aufgegriffen. Der

Mubayi-Skeleton.jpg

Sylvester Mubayi, Skeleton Man

Chapungu-Adler, der nach Vorstellung der Shona die Seelen verstorbener Herrscher ins Jenseits bringt, durchzieht vielgestaltig das Repertoire wohl jeden Bildhauers in Zimbabwe; fraglos am Expressivsten hat ihn Brighton Sango in kubistischer Form dargestellt. Auch das „Spirit Medium“ als Vermittler zwischen den Welten hat sich bei vielen Künstlern immer wieder in Stein materialisiert, besonders in Nicholas Mukomberanwas Werken Mediator und Man in a Trance. Mukomberanwa wurde übrigens wegen seiner Vorliebe, Ahnengeister zu schnitzen, als Jugendlicher von einer Missionsschule verwiesen. Moses Masaya thematisiert dagegen in seinem Werk die Ambivalenz von gutem und bösem Einfluss der Geister, so u.a. in Spirit Protecting Woman und Vengeful Spirit. Die Werke von Ndandarika Spirit Owl, Sylvester Mubayi Mudzimu Bull und Bernard Takawira Spirit

Boria Mtekis´ Darstellung des Chapungu, der die Seelen der Verstorbenen ins Jenseits bringt.

Boria Mtekis´ Darstellung des Chapungu, der die Seelen der Verstorbenen ins Jenseits bringt.

Emerging from the Rock zeigen schließlich, dass Ahnengeister jederzeit auch Tiere oder amorphe Gegenstände beseelen können.

Mythen und Fabelwesen

Neben dem Bezug zur Welt der Ahnengeister greifen viele zimbabwische Bildhauer die Mythologie ihres jeweiligen Volkes als Vorlage für ihre Werke auf. Bestimmte Elemente der Mythen, aber auch mit zumeist moralischem Unterton behaftete Sprichwörter und Fabeln werden in Stein künstlerisch umgesetzt und an nachfolgende Generationen weitergegeben. Steinplastiken treten so in gewisser Weise neben die für afrikanische Kulturen so typische Form der mündlichen Überlieferung. Ein zentrales Motiv der Shona-Mythologie ist die Metamorphose. Die absonderliche Verwandlung von Mensch in Tier, die Möglichkeit, sich dessen gute oder schlechte Eigenschaften anzueignen, wird immer wieder von Künstlern in sehr unterschiedlicher Form ausgestaltet. Bei Bernard Matemera verwandeln sich dabei

die Menschen, wie in seinem monumentalen Man Changing into a Hippo, in groteske Geschöpfe. Damian Manuhwa zeigt in seinen Antilopen-Menschen, dass die Metamorphose durchaus auch elegante und grazile Wesen hervorbringen kann. Manche Skulpturen erzählen ganze Fabeln. So berichtet

Matemeras´ Man Changing into a Hippo vor der National Gallery in Harare

Matemeras´ Man Changing into a Hippo vor der National Gallery in Harare

Thomas Mukarobgwas Too Heavy to Carry My Two Friends von einer Zeit, als Menschen und Tiere friedlich zusammen-lebten; Josiah Manzis Baboon Stealing the Mealie Guard's Child erzählt wie ein Kind von einem Pavian gekidnappt und großgezogen wird.

Kollektive Eingebung, bedeutungsschwere Träume?

Über die Gründe für die in der Steinbildhauerei Zimbabwes feststellbare starke thematische Orientierung an religiöser Tradition und Mythologie wird in der Literatur diskutiert. Lässt sich die typische Ikonografie und der den Werken gemeinsame Themenbezug mit "kollektiver Eingebung", dem "kollektiven Bewusstsein der Stammeskultur" erklären, wie Überzogen interpretiert wird? Folgen die Bildhauer bedeu-

tungsschweren Träumen, die sie von "unsichtbarer Kraft geleitet in den Stein umsetzen", wie einige von ihnen behaupten? Versuchen sie, über die Bildhauerei ihre kulturelle Identität vor westlicher Überfremdung zu schützen? Oder bedienen die Künstler schlicht den Geschmack westlicher Sammler, die sich stärker von der mystischen Symbolkraft eines Werkes ansprechen lassen, als von dessen Ästhetik? Eine Antwort hierauf kann an dieser Stelle nicht gegeben werden - muss sie vielleicht auch gar nicht. Denn für das Verständnis der Werke ist es letztlich unerheblich, von welcher Motivation der Künstler bei ihrer Erschaffung geleitet wurde.

Hinwendung zu Alltagsthemen

Ohnehin wenden sich inzwischen eine Reihe von zimbabwischen Bildhauern verstärkt gegenwartsbezogenen Themen zu. Brighton Sango und Tampfuma Gutsa halten ganz bewusst Distanz zur eigenen Kultur. Gutsa kritisiert in einigen seiner Arbeiten die postkoloniale Gesellschaft Zimbabwes und fordert wie in Ya Asantewa ein stärkeres afrikanisches Selbstbewusstsein. Agnes Nyanhongo und Colleen Madamombe greifen Szenen aus dem Alltagsleben von Frauen auf. Dominic Benhura stellt sich mit seiner Skulptur Our HIV-Friend der gravierensten Gegenwartsproblematik Zimbabwes - Aids. Ähnlich wie Joseph Muzondo in seinem Werk Bringing the Sad News plädiert er für eine stärkere Anteilnahme an menschlichen Gefühlen. Und Nicholas Mukomberanwa thematisiert mit The Corrupting Power of Money eines der Hauptübel des Landes: Korruption und die Korrumpierbarkeit der Herrschenden.

The Corrupting Power of Money

The Corrupting Power of Money

Steinmaterialien

Zu den am meisten in der Bildhauerei verwendeten Steinsorten gehören die in verschiedenen Landesteilen Zimbabwes gefundenen Serpentin-Arten. Dabei verwenden die Bildhauer teilweise ihre eigene Terminologie für die Steine, die man in keinem mineralogischen Handbuch findet. Manchmal weisen die Benennungen auf die regionale Herkunft des Steins hin. So kommt der farbige Nyanga-Serpentine aus Nyanga in den Eastern Highlands. Oder die Steinart wird nach deren Aussehen benannt, wie der extrem harte Leopard Stone, der gelblich ist und schwarze Einsprenkelungen aufweist. Der Green Opal Stone ist natürlich kein Opal, sondern wird wegen seiner grünlich schimmernden Textur wie der Halbedelstein genannt. Die folgende Liste zeigt nur einen Ausschnitt der verwendeten Steinsorten auf.

Der Bildhauer Ashburn Gilliam und seine Helfer extrahieren einen “White Opal”-Steinblock in einem Steinbruch

Der Bildhauer Ashburn Gilliam und seine Helfer extrahieren einen “White Opal”-Steinblock in einem Steinbruch

 
Bearbeitung des Steinblocks

Bearbeitung des Steinblocks

Die fertige Skulptur im Garten von Kerstin, Andi und Ömmes

Die fertige Skulptur im Garten von Kerstin, Andi und Ömmes

Springstone:
Der härteste, reine schwarze Serpentin wird in der Nähe von Tengenenge im Norden Zimbabwes gefunden. Er hat eine feine Struktur, keine Risse und bietet aufgrund seiner Härte dem Künstler einen ausreichenden Widerstand. Er ist eingehüllt in einer "Decke" aus rötlich-braun oxidiertem Felsgestein, die von dem Bildhauer zunächst zeitaufwendig weggeschlagen werden muss. Springstone ist bei den meisten arrivierten Künstlern beliebt.

Sipolilo:
Ebenfalls im Norden gefunden ist dieser orangegelbe Serpentin aufgrund seiner Härte schwieriger zu bearbeiten.

Brauner Serpentin:
Eine der weicheren Serpentinarten, die vor allem im Osten Zimbabwes, in den Eastern Highlands, gefunden wird.

Opalstein:
Ein hellgrüner Serpentine aus der Gegend um Chiweshe, nördlich von Harare. Fein strukturiert mit fast durchscheinender Oberfläche, manchmal mit verschieden farbigen Punkten und Flecken. Wegen seiner Färbung sehr beliebt.

Chiweshe Stone:
Ein harter dunkelgrüner Serpentin aus der Gegend um Chiweshe, der nicht so fein gemasert wie der Opalstein ist.

Goldener Serpentin:
Ein ungewöhnlich schwarzer Stein, der durch Bänder ähnlich Holzmaserungen verschönt wird.

Verdit:
Ein seltener Halbedelstein, der weltweit nur an zwei Fundorten vorhanden ist. Er ist in Zimbabwe wegen seiner Härte und Farbvarianten von hoher Qualität.

Kalkstein:
Harter, grauer Kalkstein wird in den Chikurubisteinbrüchen bei Harare gefunden und von Künstlern wie Boira Mteki, Nicholas Mukomberanwa und Joseph Ndandarika verarbeitet.

Sandstein:
Der in der Nähe von Bulawayo gefundene rote Sandstein wird von zimbabwischen Künstlern selten verwendet. Joseph Maondo und Tampfuma Gutsa verarbeiten ihn manchmal.

Lapidolithe:
Ein porphyr- bis violettfarbener Stein, der selten vorkommt und von nur wenigen Künstlern, darunter Joram Mariga, verwendet wird.

 

Publikationen - Eine Auswahl

Arnold, Marion: Zimbabwean Stone Sculpture, Bulawayo 1987

 Büttgen, Heinrich: Zimbabwe – Land der Steine, Stuttgart 1981

 Chapungu. The Quarterly Newsletter of the Chapungu Sculpture Park, Harare

 Chapungu. Custom and Legend. A Culture in Stone. Harare 2000 (Katalog zur Ausstellung in den Royal Botanic Gardens in Kew/London)

 Coming of Age. Zeitgenössische Kunst aus Zimbabwe, Neustadt a.d. Aisch 1998 (Katalog Ausstellung des Neuen Kunstvereins Asschaffenburg)

 Diehl, Kerstin: Zimbabwe Sculpture 2002, Steinfurt 2002

 Guthrie Roy: Prominent Sculptors of Zimbabwe. Nicholas Mukomberanwa, Harare 1989

 Guthrie Roy: Prominent Sculptors of Zimbabwe. Dominic Benhura, Harare 1997

 Iwalewa-Haus: Von Nashornmenschen und Antilopenfrauen. Kunst und Künstler aus Simbabwe, Bayreuth 1987

Joosten, Ben: Sculptors from Zimbabwe. The First Generation. Doodeward 2001

 Kammerer-Grothaus, Heike: Von Menschen, Steinen und Skulpturen, in: dies. (Hg.): 10 Jahre Zimbabwe. Kunst und Geschichte, Bremen 1990

 Kleine-Gunk, Bernd: Shona-Skulptur. Zehn Bildhauer aus Zimbabwe. Wuppertal 1993

 Legacies of Stone: Zimbabwe Past and Present, 2 Bde., Tervuren 1997

 Leyten, Harrie: Tengenenge. A Sculptor Community in Zimbabwe. Berg en Dal 1994

 Meyer, Fritz: Zimbabwe Skulptur heute, Nürnberg 1998

 Moderne Afrikanische Kunst. Die Steinbildhauer von Zimbabwe, Frankfurt 1994 (Katalog zur Ausstellung im Palmengarten Frankfurt)

 Mor Fernando: Shona Sculpture, Harare 1987

 Rohde, Eckart / Helmut Rohde: Beseelte Steine. Skulpturen aus Zimbabwe, Hamburg 1998

 Rohde, Eckart: Faszination in Stein. Afrika-Post 9/10 (1999), S.26-28

 Rohde, Eckart: Harmonie in Stein. Afrika-Post 2 (2003), S. 24-26

 Sculptures Contemporains du Zimbabwe, Paris 1998 (Katalog zu einer Ausstellung in Paris, Juni 1998)

 Sibanda, Maxwell: The Sculpture of Gedion Nyanhongo, Harare 2002.

 Sultan, Oliver: Life in Stone. Birth of a Contemporary Art Form, Harare 1999 (2.Auflage)

 Winter-Irving, Celia: Stone Sculpture in Zimbabwe. Context, Content and Form, Harare 1991

 Ein Lesetipp und „Muss“ für alle Shona-Liebhaber ist der Ausstellungskatalog: HOPE - Zeitgenössische Stein-Skulpturen aus Zimbabwe. Schloss Oranienstein Diez 2003 (96 Seiten, Farbe)